Funprocep versucht Kinder von der Straße zu holen und sie langsam wieder in die Schule zu integrieren. Meist fehlt es ihnen an ganz grundlegenden Kompetenzen für ein harmonisches Schulleben, wie Respekt, Disziplin und Aufmerksamkeit. In sogenannten „círculos“ werden die Kinder von Lehrerinnen betreut. Nach circa 6 Monaten, so das Ziel, sollen sie dann wieder eine „normale“ Schule besuchen können.
Am Sonntag besuchte ich zum ersten Mal das Projekt in El Zulia. Mein Chef und ich spielten für eine Weile mit den Kindern. Besonders ein Mädchen hing immer an meiner Hand und wollte mit mir reden. Kurz bevor wir gingen fragte sie mich dann etwas, das ich zuerst nicht verstand.
Sie wollte Geld von mir haben. Ich erklärte ihr, dass ich da sei, um ihr und den anderen etwas beizubringen. Trotzdem war sie erstmal sauer. Das wird wohl für die nächsten Wochen nicht meine letzte schockierende Erfahrung gewesen sein.
Während unseres 45-minütigen Besuchs wurden kräftig Schläge ausgetauscht. Es flossen mehrmals Tränen und ein Junge verließ gekränkt den Unterricht. Die Mutter von José (dem Jungen, der immer wieder aggressiv wird) meinte, das liege wahrscheinlich an seiner frühen Kindheit. Damals habe ihre Schwiegermutter sie misshandelt und auch mit dem Messer bedroht. José habe das alles mit ansehen müssen.
Heute habe ich meine erste Unterrichtsstunde für Montag geplant und auf Zettel groß ein paar grundlegende englische Wörter geschrieben. Bis ich auf die Idee kam nachzufragen, ob überhaupt alle Kinder lesen können. Antwortet: Fast Keines!
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Der Morgen verläuft ruhig. Die Kinder machen ihre Aufgaben- spielen ein wenig.
Plötzlich schlägt die Stimmung vollkommen um. Acht Kinder fangen an bitterlich zu weinen. Ich verstehe erst überhaupt nicht was passiert ist. „Invasion. Invasion“- dieses Wort fällt immer wieder. Ich versuche zu trösten, aber mir ist es unmöglich die richtigen Worte zu finden, als ich erfahre, was gerade passiert.
Die Polizei hat die Familien von einem Flüchtlingscamp am Rande der Stadt (siehe Foto) aufgefordert bis 13 Uhr ihre Häuser zu verlassen. Alles was dann noch da ist wird abgerissen.
„Mi casa, mi casa“, schluchzt Marfi, die Jüngste von 6 Geschwistern (gerade erst 6 Jahre alt), immer wieder. Kinderaugen voller Verzweiflung. Ich muss mit aller Kraft meine Tränen zurückhalten.
Zusammen machen wir uns auf den Weg zu dem Feld, um nach den Eltern zu suchen. Polizisten auf Pferden beobachten im Schatten der Bäume die Situation. Ich folge den Kindern zu ihrer Hütte. Rechts und Links des Trampelpfades sind die Menschen bereits am Aufbrechen- holen die Holzpfähle aus dem Boden und rollen die Plastikplane zusammen.
Eine Hütte aus Lehm und Holz, zwei Betten für acht Personen- daneben ein „Herd“ mit offenem Feuer und einigen Fässern mit Wasser. Hier wohnen die Sechs. Unter anderem auch Marfi, die mich am ersten Tag nach Geld fragte, und José, der Junge, der immer wieder aggressiv wird.
Marfi reicht mir einen Becher mit Saft, deutet auf die Polizisten in der Ferne und sagt: „Morgen werden sie uns holen!“
mein Chef und die 3 Lehrerinnen von El Zulia auf der Suche nach weiteren Kindern |
das Flüchtlingslager |
Der Fluss "El Zulia" auf dem Weg zur Arbeit |